Die andere Seite der Studienplatzklage - Meinung und Erfahrung von zwei Medizinprofessoren

Die Studienplatzklage ist nicht nur für Studienbewerber und Anwälte ein Thema. Auch das Lehr- und Führungspersonal von Hochschulen und Universitäten muss sich mit der Klage auseinandersetzen. Vor Gericht und auch im Alltag erleben Professoren der Medizin, Institutsdirektoren oder Prorektoren das Verfahren und seine Folgen aus einer ganz eigenen Perspektive. Sie stehen auf der Gegenseite der Klagenden und arbeiten für ihre Fakultäten, Institute und nicht zuletzt für ihre Studenten. Sie erleben die erfolgreichen Kläger und wissen aus erster Hand, welche Auswirkungen eine Studienplatzklage für Studenten und die Uni hat.

Kaum eine Fachrichtung muss so lange und so häufig mit Studienplatzklagen umgehen, wie die Medizin. Daher wurden zwei Medizinprofessoren zu ihren ganz persönlichen und ehrlichen Meinungen zur Studienplatzklage befragt:

Die Antworten beleuchten das Thema Studienplatzklage von Seiten der Fakultäten auf anschauliche Weise.

Prof. Dr. med. Richard H.W. Funk ist Institutsdirektor des Instituts für Anatomie der Medizinische Fakultät Carl-Gustav-Carus an der Technischen Universität Dresden. Seit April 2010 ist er außerdem Mitglied des Senats der TU Dresden. Auch er hat als Institutsdirektor, Senatsmitglied und auch Lehrender ganz direkte Erfahrungen mit der Studienplatzklage und ihren Folgen gemacht. In seinen Antworten zeigt er auf, welche Nachteile das Verfahren für ein Institut haben kann.

Welche Erfahrung haben Sie mit Medizin Studienplatz-Klägern gemacht? Können Sie Studenten verstehen, die diesen Weg gehen?

Prinzipiell kann ich natürlich die Studenten verstehen, diesen Weg zu gehen — wenn die positive Motivation da ist. Zur Erfahrung: Wenn die Motivation da ist sind [die Studenten, die sich eingeklagt haben,] von den NC — Studenten nicht zu unterscheiden. Wenn aber zu schlechten Schulvoraussetzungen auch noch mangelnde Motivation (die eigene, nicht die der Eltern) dazu kommt, dann sind sie (wie auch die Statistik zeigt) deutlich unter den Leistungen der "Normalstudenten".

Mit welchen Problemen haben Sie, bzw. die Hochschulen, als Gegenseite im Verfahren, zu kämpfen? Welche Erfahrungen konnten Sie dabei selbst schon machen?

[Die Probleme an der Hochschule] waren z. T. erheblich: Natürlich suchen sich die (zu den Fakultäten in Deutschland) "fahrenden Anwälte" die Fakultäten aus, an denen vom Stellenplan und anderen Bedingungen noch nicht "alles wasserdicht" (z.B: auch Dauerstellenübernahmen aus der Zeit vor der Wende mit nicht in der Lehre einzusetzenden Personal) ist oder wo sich die Fakultäten aufgrund der teuren Musterklagen (arme neue Bundesländer — Schieflage der zu starken Auslegung des Föderalismusprinzips im Bereich Hochschulen) eine solche Musterklage nicht leisten konnten. Natürlich werden (obwohl wir alle Stellenpläne jetzt komplett dokumentiert haben) immer noch kleine Abweichungen oder Änderungen gefunden, die dann zu zusätzlichen Studentenzulassungen führen und somit die Fakultäten (auch unsere) belasten.

Prof. Dr. med. Joachim Fandrey ist Prodekan für Studium und Lehre im Dekanat der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen. Seine Erfahrungen mit Studienplatzklagen umfassen inzwischen 10 Jahre, seine Einschätzung als Prodekan für Studium und Lehre macht jedoch die Vorteile deutlich, die die Verfahren auch für eine Fakultät selbst haben können.

Welche Erfahrung haben Sie mit Medizin Studienplatz-Klägern gemacht? Können Sie Studenten verstehen, die diesen Weg gehen?

Natürlich kann ich Studenten verstehen, die diesen Weg gegangen sind. Wenngleich bei der Uni Duisburg-Essen seit vielen Jahren keine Studienplatzklage mehr erfolgreich war, bewegen wir uns als öffentliche Institution dennoch in einem Rechtsraum, dessen Regeln wir einhalten müssen. Besteht also die Vermutung, dass nicht alle verfügbaren Ressourcen genutzt werden, dann muss es die Möglichkeit der rechtlichen Überprüfung geben. Studenten, die sich in der Vergangenheit eingeklagt hatten, wurden daher von uns weder "verurteilt", noch anders behandelt. Es ist ja ihr gutes Recht, die Kapazitätsausnutzung der Hochschule durch Gerichte überprüfen zu lassen, und so ggf. einen Studienplatz zu erlangen.

Mit welchen Problemen haben Sie, bzw. die Hochschulen, als Gegenseite im Verfahren, zu kämpfen? Welche Erfahrungen konnten Sie dabei selbst schon machen?

Als Hochschule müssen wir transparent arbeiten. Das heißt, wir müssen Gerichten jederzeit und nachvollziehbar Einsicht in unsere Kapazitätsberechnung geben. Ich bin der Meinung, dass diese vollkommene Transparenz aber positiv zu bewerten ist. Sie gibt uns als Hochschule Rechtssicherheit, aber auch Planungssicherheit bei der Vorbereitung unseres Forschungs- und Lehrauftrages. Kommt es doch zu Studienplatzklagen, dann habe ich Vertrauen in unsere Rechtsprechung: Wenn Gerichte mehr Potenzial in der Ressourcenausnutzung erkennen, als bisher genutzt wird, dann ist es nur richtig, dieses Potenzial für weitere Studenten zu öffnen.

 

Aus den Antworten der beiden Professoren wird deutlich, dass die Mitarbeiter und Leiter der Fakultäten selbst nachvollziehen können, warum man sich als Student in ein Studium einklagen möchte. Gleichzeitig stellen die Verfahren die Fakultäten und deren Mitarbeiter natürlich auch vor Probleme. Wir bedanken uns herzlich bei den Professoren für die offenen und ehrlichen Worte und die Teilnahme an diesem Interview!